Textilindustrie in Europa: Vielfalt, Entwicklung und Perspektiven
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Die europäische Textilindustrie wird häufig als schrumpfende oder veraltete Branchewahrgenommen, die durch Produktionsverlagerungen nach Asien unter Druck geraten ist. In der Wahrnehmung vieler gilt sie als angestaubt und rückständig.
Dieses Bild ist jedoch nur einseitig: Tatsächlich bleibt die Branche ein bedeutender Wirtschaftszweig mit langer Tradition und im Wandel mit essenzieller Rolle in Europa.
Im Jahr 2023 zählte der Sektor (Textil & Bekleidung) mehr als 197.000 Unternehmen mit rund 1,3 Millionen Beschäftigten und erwirtschaftete einen Umsatz von 170 Milliarden Euro (Euratex, 2024). Neben der Beschäftigungssicherung ist die Textilindustrie ein Schlüsselakteur im internationalen Handel.
Dieser Artikel bietet einen Einblick in die Textilindustrie, ihre Vielfalt sowie die aktuellen Entwicklungen, Herausforderungen und Chancen der Branche.
Vielfalt und Spezialisierung der europäischen Textilindustrie
Häufig wird der Begriff "Textilindustrie" mit Mode- und Heimtextilien gleichgesetzt. Tatsächlich ist die Branche jedoch wesentlich breiter aufgestellt und tief in verschiedene Wertschöpfungsketten eingebunden. Die wichtigsten Segmente sind:
- Fasern und Garne: Am Anfang der textilen Wertschöpfungskette steht die Produktion von Fasern und Garnen aus Naturfasern (z. B. Baumwolle, Wolle, Leinen), Kunstfasern (z. B. Polyester, Nylon) oder Mischvarianten. Führende Produktionsländer sind Italien, Spanien und Deutschland.
- Heim- und Haustextilien: Hierzu zählen allseits bekannte Produkte wie Bettwäsche, Vorhänge, Teppiche, Tischdecken, Sofabezüge und Badtextilien. Bedeutende Produktionsländer sind Portugal, Italien, Spanien, die Türkei und Deutschland.
- Bekleidung und Modeindustrie: Dieser Sektor umfasst das Design und die Herstellung von Alltags-, Berufs- und Sportbekleidung sowie Haute Couture und Prêt-à-porter. Europa ist weltweit bekannt für seine Modemarken und Designer. Wichtige Standorte sind Italien, Frankreich, Spanien und Deutschland, wobei die Konfektion zumeist nach Südosteuropa oder Asien ausgelagert ist.
- Berufsbekleidung und Schutzausrüstung: Aufgrund besonderer Anforderungen im beruflichen Alltag gibt es als eigenes Marktsegment Spezialtextilien für Arbeits- und Sicherheitsbekleidung (z. B. für Feuerwehr, Polizei, Bauwesen) sowie medizinische Schutzkleidung.
- Technische Textilien: Technische Textilien bieten spezielle funktionale Eigenschaften und finden Anwendung in Branchen wie Bauwesen, Automobilindustrie, Medizin, Luft- und Raumfahrt sowie Umweltschutz. Deutschland gilt als führend in der Entwicklung technischer Textilien.
- Trägermaterialien (Gewebe, Gewirke, Gestricke): Diese Flächen dienen als Basisschichten für Beschichtungen, Verbundwerkstoffe oder technische Anwendungen und werden beispielsweise in der Bauindustrie, im Fahrzeugbau und in Filtrationssystemen eingesetzt.
- Vliesstoffe (Nonwovens): Nonwovens sind textile Flächen, die durch Verfestigung von Fasern entstehen. Sie finden Anwendung u.a. in Hygieneprodukten (z. B. Windeln, Masken), Automotive, Geo- und Bautextilien, Filtrationssystemen und Möbeln.
Herausforderungen und Perspektiven
Trotz ihrer Vielfältigkeit steht die Textilindustrie vor erheblichen Herausforderungen bezüglich der Kostenstrukturen, der internationalen Wettbewerbssituation oder in Bezug auf Umwelt- und Sozialstandards. Diese erfordern innovative Strategien, um die Branche nachhaltiger zu gestalten und die Kreislaufwirtschaft zu fördern.
Die aktuell größten Herausforderungen sind:
Globaler Wettbewerbsdruck: Niedrigere Produktionskosten und zum Teil geltende Umweltstandards (z.B. in Asien) setzen europäische Hersteller unter Druck.
Steigende Produktionskosten: Erhöhte Energiepreise, steigende Material-und Lohnkosten belasten die Rentabilität.
Fachkräftemangel: Die Textilindustrie kämpft, wie auch andere Branchen, um Nachwuchskräfte, um den Generationswechsel positiv gestalten zu können. Während der Anteil der über 50-jährigen in den vergangenen Jahren von etwa 30% auf über 40% gestiegen ist, nimmt die Zahl der Textilingenieure und -techniker stetig ab.
Nachhaltigkeit und Umweltauflagen: Die Branche steht vor wachsenden Anforderungen zur Reduzierung ihres ökologischen Fußabdrucks, etwa durch verschärfte Umweltstandards, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und lokale Richtlinien.
Gleichzeitig bieten sich zahlreiche Chancen und Zukunftsperspektiven: Die Nachfrage nach innovativen Lösungen wächst. Zudem können Unternehmen durch Spezialisierung und Qualität ihre Position auf dem globalen Markt stärken.
Technische Textilien: Die steigende Nachfrage nach innovativen, technisch raffinierten Produkten eröffnet neue Wachstumsmöglichkeiten. Nachhaltige Materialien, moderne Produktionsverfahren und hohe Qualitätsansprüche differenzieren europäische Hersteller im internationalen Wettbewerb.
Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft: Innovationen in umweltfreundlichen Produktionsverfahren und Recyclingtechnologien stärken die Wettbewerbsfähigkeit.
Spezialisierung und Qualität: Insbesondere in Nischenmärkten und Spezialsegmenten bieten sich international Chancen für die Positionierung qualitativ hochwertiger Produkte aus Europa.
Fazit
Entgegen einer vielleicht anfänglichen Wahrnehmung ‚angestaubt‘, befindet sich die europäische Textilindustrie in einem enormen Transformationsprozess. Sieht man genauer hin, findet man eine Vielzahl innovativer, moderner Unternehmen, die einen exzellenten Ruf in ihrem Metier genießen. Insbesondere die Bereiche Technische Textilien und Nonwovens mit mannigfaltigen Anwendungsmöglichkeiten sowie hochwertige Heimtextilien bieten weiterhin Wachstumschancen.
Große Innovationskraft, Spezialisierung und nachhaltige Produktionsprozesse sind entscheidende Faktoren, um die Zukunftsfähigkeit der Branche zu sichern. Dies erfordert auch die Ausrichtung der (Mitarbeiter-) Organisation auf die Themen der Zukunft.
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